Freitag, 28. Mai 2010

Zeichen der Zeit: Alltag in Ägypten

Zwei kleine Geschichten, die sich in Ägypten zugetragen haben und die das Land und seine Einwohner so  liebenswert machen.

1. Nachwuchs
Vergangenes Wochenende waren Drea und ich nach einem langen Tag im Stefano's essen. Jedes mal begehen wir dort denselben Fehler und bestellen zu viel. Auf dem Heimweg erzählt uns dann der Taxifahrer, dass soeben sein erstes Kind, ein Sohn geboren wurde. Überglücklich erzählt er arabisch drauf los und dankt immer wieder Gott für sein Glück. Und immer, wenn der Verkehr wollte, dass wir anhalten müssen, schüttelte er uns die Hand, hat mich umarmt und mir sogar überschwänglich einen Kuss auf die Stirn gedrückt. Auf Höhe eines der zahlreichen kleinen Geschäfte am Straßenrand der Corniche hielt er dann an, um uns zwei Sprite zu spendieren. Da saßen wir dann im Taxi, jeder mit einer Flasche Sprite. Auf den Flaschen ist ja Pfand und die Leute in Ägypten haben nicht viel Geld. Deshalb mussten wir unsere Sprites jetzt auch austrinken, denn erst dann würde die Fahrt weiter gehen.
Irgendwie habe ich dann den Großteil meiner Flasche in mich rein geschüttet und dann mit Drea die Flaschen getauscht. Sie hätte die ganze Portion auf keinen Fall mehr geschafft. Ohne Rücksicht auf Verluste habe ich dann die zweite Flasche so schnell ich konnte gelehrt. Mir war so elend...
Am Ziel angekommen, wollte der Fahrer dann kein Geld von uns nehmen, sondern uns eine Freifahrt spendieren, weil er sich so freute. Nach einigem hin- und her konnte ich ihm dann 50 Pfund in die Hemdtasche stecken und ihm erklären, dass es ein Geschenk von uns für seinen Sohn sei. Das konnte er dann akzeptieren.


2. Beschwerde
Wir haben heute Mittag bei Chili's etwas zu Essen bestellt. Drea nahm Pasta Alfredo mit Shrimps. Die haben wir früher schon mal bestellt, da waren die Shrimps aber noch roh. Deshalb habe ich tausendmal bei der Bestellung darauf higeweisen, dass sie die Shrimps diesmal "well done" machen sollen.
Das Essen kam, die Shrimps waren roh. Während Drea den Ofen anwarf, um die Shrimps selbst zu braten, habe ich wieder im Restaurant angerufen. Mein Gesprächspartner hat sich auch sofort entschuldigt und angeboten, eine neue Portion zu schicken.
Zwanzig Minuten später stand dann der Restaurantmanager vor unserer Haustür zusammen mit dem Koch. Wieder und wieder hat er sich dann entschuldigt und darauf hingewiesen, wie wichtig es ihm doch ist, uns als Kunden zu behalten. Außerdem hatte eine Ladung essen dabei. Zum einen eine frische Portion Alfredo, aber dann auch noch einen Berg an Tacos und frischer Salsa.
Ich habe mich natürlich herzlich bedankt und ihm auch zugesichert, dass wir weiter Kunden bleiben und bald auch wieder im Restaurant vorbei schauen.

Mittwoch, 19. Mai 2010

Protokoll einer Reise

Mittwoch, 05.05.2010, 19:15 Uhr
Auschecken im Hotel, keine Probleme, Rechnung passt. Das Handy klingelt: Mein Fahrer ist da. Rucksack schultern, Trolley packen und vor die Tür. Anouar ist mein Fahrer, er wirkt etwas aufgeregt. Wir müssten uns beeilen wegen des Sturms, bevor die Flughafenstraße geschlossen wird. Ich schaue mich um: Riad, 28 Grad, Sterne am Himmel... welcher Sturm?

19:07 Uhr
Die Sterne sind weg. Links erscheint eine Wand aus Sand, wir fahren rein. Wirkt wie Nebel, dichter Nebel.

19:09 Uhr
Beobachte die Straßenlaternen. Der feine Staub, der scheinbar vorbei fliegt wird durch große Wassertropfen ersetzt. Blick nach vorne: Der Scheibenwischer kommt kaum gegen den plötzlichen Regen an. Schaue aus dem Seitenfenster. Der Sand ist aus der Luft gewaschen. Beunruhigend, weil ich jetzt die vielen, vielen Blitze sehen kann, die rechts von mir Brücken zwischen Himmel und Erde schlagen. Drehe den iPod lauter um den Donner nicht hören zu müssen.

19:13 Uhr
Der iPod wird übertönt. Hagel. Fühlt sich an wie Maschinengewehrbeschuss. Der Verkehr steht.

19:20 Uhr
Im Schneckentempo geht es weiter. Entweder sind die Fahrer heute alle ausnahmsweise gut diszipliniert oder alle sind vor Angst wie gelähmt.

20:12 Uhr
Fast am Flughafen, kaum noch Niederschlag. Anouar fährt rechts ran. Mit unseren Handy versuchen wir Bilder von der nächtlichen, verhagelten und verblitzten Wüste zu machen. Den Hagel kann man auf einem meiner Bilder einigermaßen erkennen. Die Blitze lassen sich nicht einfangen.



20:15 Uhr
Ankunft am Flughafen, endlich. Überall Menschenmassen. Suche mir einen Gepäckträger, dem ich Rucksack und Trolley gebe mit der Anweisung sich nicht vom Fleck zu rühren. Ohne Gepäck laufe ich ungebremst durch den Metalldetektor zum Schalterbereich. Bei Egypt Air wirkt man entspannt, innerhalb einer Minute habe ich den Boardingpass. Zurück aus dem Schalterbereich wieder zum Träger. Drücke ihm 10 Rial in die Hand und nehme mein Gepäck. Nächste Station Passkontrolle, hier gibt es keine Abkürzung, muss Schlange stehen und hasse es.

20:32 Uhr
In der Abflughalle, nur zwanzig Minuten, bevor das Boarding starten soll. Nächstes Ziel: Costa Coffee. Davor die Abflugtafel begutachten. Mein Flug ist nicht drauf. Dafür treffe ich beim Costa die Kollegen, die in den Oman wollen. Und die lange Überfällig sind, aber weder wird ihr Flug als verspätet gelistet noch teilt ihnen die Airline irgendetwas mit. Mir fällt auf, dass am Terminal nirgends Flugzeuge stehen.



20:55 Uhr
Boarding-Zeit. Richtiges Gate. Kein Flugzeug, kein Personal, keine Informationen.

21:00 Uhr
Zurück bei Costa. Gemeinsames Warten und Galgenhumor. Es sind neue Kollegen dabei, für die es sowohl erste Woche als auch erster Wochenendausflug sind. Wir versichern ihnen, dass diese Umstände für Riad alles andere als normal sind. Stunden vergehen und es werden Backup-Pläne geschmiedet. Die Omanler überlegen, den Flughafen wieder zu verlassen und das Wochenende in Riad zu bleiben. Ich buche am Netbook eines Kollegen vorsorglichen einen anderen Flug für morgen Mittag.



22:00 Uhr
An meinem Terminal steht jetzt ein Flugzeug. Marokko Air mit Flugziel Casablanca. Hört sich zwar interessant an, ist aber gerade keine Alternative für mich.

22:12 Uhr
Aus Ermangelung an Fakten über unsere Situation stützen wir unser weiteres Denken und Vorgehen auf Gerüchte. Da uns die Unzuverlässigkeit dessen bewusst ist, entscheiden wir nur zu glauben, was uns passt.
Zusammenfassung: Wegen des Unwetters seien alle Maschinen mit Ziel Riad nach Dammam umgeleitet worden. Von dort aus brechen sie jetzt wieder nacheinander nach Riad auf um die Passagiere aufzunehmen.



23:35 Uhr
Kein Flugzeug. Weder für mich noch für die Omanler. Im Gegensatz zu den Egypt Air Angestellten sind die Leute von Oman Air am Gate geblieben. Dort nimmt man sie in die Zange. Während asiatische Passagiere schnell abgewimmelt werden, sind die Deutschen lästiger. Abwechselnd nimmt sich jeder den Oman Air Menschen vor, stellt ihm wieder und wieder dieselben Fragen. Es ist ein Verhör, der Verdächtige soll endlich ein Geständnis ablegen. "Wann fliegen wir los?", "Warum ist kein Flugzeug da?", "Ist die Maschine schon  auf dem Weg hierher?", "Wann wird sie ankommen?", "Wenn sie erst in 10 Minuten in Dammam losfliegt, warum hieß es dann eben, sie sei schon auf dem Weg?", "Sie lügen, warum soll ich einem Lügner glauben?". Keine Gnade. "Es gibt eine Lösung. Canceln sie den Flug, erstatten Sie uns den Ticketpreis und lassen sie uns gehen.", "Nicht canceln? Warum?", "Das Flugzeug ist unterwegs? Ok, also von vorne... Wann fliegen wir los?" ... So geht es ewig weiter. Bei der Befragung wechselt man sich ab.



Donnerstag, 06.05.2010, 0:15 Uhr
Neuer Plan: Wir bleiben einfach hier. Aber wie verlassen wir den Flughafen? Unsere Pässe sind schon für die Ausreise gestempelt. Wir belagern die Mitarbeiter von Oman Air erneut. Angeblich könnten wir den Flughafen nicht verlassen. Also sind wir festgenommen? Nein, aber wir können den Flughafen nicht verlassen. Die Hobbyjuristen unter uns schreien: "Kidnapping!" Die Luft riecht nach Kaffee und Adrenalin. Schließlich will das Personal unsere Pässe einsammeln, um sie zur Immigration zu bringen. Nur dort können sie gestempelt werden, danach sind wir wieder eingereist und könnten raus. Würde auch nur ca. 3 Stunden dauern. In diesem Moment verliere ich den Überblick inmitten des Gewühls aus Beschimpfungen, Drohungen und immanenter physischer Gewalt. Während ich noch darüber nachdenke, ob ich schimpfen oder prügeln soll, fasst mich eine Hand an der Schulter. Zu der Hand gehört ein Egypt Air Mitarbeiter, der mir mitteilt, dass mein Flugzeug da ist und wir gleich boarden. Ich verabschiede mich, wünsche allen noch viel Glück und gehe zum Gate.

01:10 Uhr
Endlich geht es ins Flugzeug. Bis endlich alle an Board sind, vergeht wieder etwas Zeit. Dann stehen wir für etwa eine Stunde auf dem Rollfeld und warten auf unseren Start-Slot.

02:55 Uhr
Wir starten.

04:12 Uhr
Eine Durchsage des Kapitäns. Unser Flug wird zum Flughafen Borg Al-Arab umgeleitet. Das bedeutet für mich eine Stunde Autofahrt bis zur Wohnung. Hinter mir rastet ein saudischer Passagier aus, schimpft und flucht.

05:00 Uhr
Wir landen - und zwar wie ursprünglich geplant in Al Nozha. Innerhalb von wenigen Minuten bin ich durch die Passkontrolle und sitze im Taxi.

05:30 Uhr
Ankunft in der Wohnung, beim Blick aus dem Fenster bemerke ich die einsetzende Morgendämmerung. Ab ins Bett. Als mein Kopf auf dem Kissen landet, bin ich schon eingeschlafen.

Samstag, 15. Mai 2010

Durchsage: Promo-Aktion bei STC

Wer eine Prepaid-SIM-Karte von STC nutzt, erhält derzeit beim Kauf einer 300 SAR Recharge-Card 500 SAR Guthaben.

Montag, 3. Mai 2010

Zeichen der Zeit: Regen in Riad

Beim heutigen Wetter in Riad hat scheinbar Roland Emmerich Regie geführt. Am Nachmittag hat sich der Himmel verdunkelt und eine bizarre Mischung aus Sand- und Gewittersturm hat eine Höllenshow geliefert.

Es war tatsächlich so dunkel wie in stockfinsterer Nacht. Immerhin hat der Regen dann langsam den Sand aus der Luft gewaschen. Zum Abend hin wurde es dann wieder einigermaßen hell, genug um zu sehen, dass es die Welt doch noch gibt.

Der Weg vom Bürogebäude zu den Taxis war auch sehr interessant. Während ein paar Kollegen noch versucht haben, die Krawatten vorm Regen zu schützen war meine Sorge, dass ich mit den glatten Ledersohlen auf dem rutschigen Sandschlamm auf spiegelglattem Marmor zu Tode stürze. Gemeinsam haben wir es dann zum Taxi geschafft. Die Route ins Hotel dauert sonst 5 Minuten. Heute dauerte es ... länger.


(via www.0zz0.com)

Entlang des Wegs konnte man mal wieder eine in Saudi-Arabien übliche Gepflogenheit beobachten: Spurenausbau. Scheinbar - wann immer sich der Verkehr staut - versuchen hier die Fahrer durch dazwischendrängeln und "an den Rand quetschen" an jedem Auto vorbeizukommen, dass ihnen nicht schnell genug ist. Unabhängig vom Grund für die Verzögerung. So sind wir dann im Stau auch in 6 Spuren auf der ddreispurigen Straße gefahren, haben dabei mehrfach die Spur gewechselt, immer wieder beschleunigt wie beim Formel-1 Start, nur um Sekunden später so stark abbzubremsen wie ein Egypt Ait Pilot bei der Landung in Alexandria, wenn er die Länge der Landebahn überschätzt hat.


(via www.0zz0.com)

Der Regen wollte nicht aufhören. Gemessen an deutschen Regenfällen war es gar nicht schlimm. Es gibt hier aber weder eine Kanalisation, noch irgendwelche Ablaufmöglichkeiten für das Regenwasser. Die Straßen sind große Wannen voller Wasser. Und durch Senken ist gar kein Durchkommen möglich. So hat uns das Wetter auch die Abendplanung verdorben. Statt des gemeinsamen Abendessens bei einem der ausgezeichneten indischen Restaurants Riads gab es - mal wieder - Zimmerservice. Ich kann das Hotelessen nicht mehr sehen.

Mittlerweile habe ich auch Meldungen von ein paar Kollegen, die in einem Hotel in der Innenstadt  untergebracht sind:
  • Fahrtzeiten zwischen 1,5 und 2,5 Stunden
  • Verlassene Autos am Straßenrand abgestellt
  • Alle Schnellstraßen gesperrt, man kommt nur auf Schleichwegen voran
  • Granada-Mall überflutet, auf dem gesamten Foodcourt hat nur ein Fastfood-Stand geöffnet. Ansonsten hilft das gesamte Personal bei der Wasserbekämpfung.
  • Sonnenschutzdächer sind unter dem Gewicht des Wasser eingeknickt und haben die darunter parkenden Autos zerstört.

Der Sturm hält sich wacker. Während ich hier tippe ist der Internetzugang gestört und das Satelittenfernsehen auch. Den Post werde ich also morgen online stellen.